Anwendungsbereiche des Video-Home-Trainings (VHT) - Geglücktes im Blick
Hrsg. Irene Goltsche, 2009

Video-Interaktions-Diagnostik (VID) - eine effektive Methode zur Qualitätssicherung in Kindertageseinrichtungen

Vorgeschichte und Entwicklung der Video-Interaktions-Diagnostik (VID)

Im März 2007 hat der Bundesverband SPIN die Video-Interaktions-Diagnostik (VID) als neues Weiterbildungsmodul in den Katalog seiner Ausbildungsangebote aufgenommen. Adressaten sind vorrangig MitarbeiterInnen aus Jugendhilfeeinrichtungen, Kindertageseinrichtungen, Beratungsstellen, Schulen und Altenheimen. Die Zertifizierung der Weiterbildung wird von den SPIN  Landesverbänden durchgeführt und bundesweit anerkannt.
In meinem Beitrag beziehe ich mich auf den Arbeitsbereich der Kindertageseinrichtungen. Als Referentin und Ausbilderin/Supervisorin SPIN schöpfe ich dabei aus den Erfahrungen meiner langjährigen Tätigkeit. Zunächst befasse ich mich mit den grundsätzlichen vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten von Videoaufnahmen in Kindertageseinrichtungen. Im weiteren Verlauf wird das daraus resultierende neue Angebot der Weiterbildung der Video-Interaktionsdiagnostik für pädagogische Fachkräfte in diesem Arbeitsfeld beschrieben.

In den ersten Jahren meiner Tätigkeit richtete sich mein Hauptaugenmerk zunächst auf die Ausbildung von Video-Home-TrainerInnen und Video-InteraktionsbegleiterInnen vor allem aus den Arbeitsbereichen der Sozialpädagogischen Familienhilfe, der Tagesgruppen und Erziehungsbeistandschaften in Jugendhilfeeinrichtungen. Die Wirkung der Bilder und die damit verbundenen schnellen Erfolge mit einer hohen Effektivität faszinierte mich so derartig, dass ich diese ressourcenorientierte Methode unbedingt weiteren Arbeitsbereichen zugänglich machen wollte. Neben der Arbeit in Schulen und Altenheimen kristallisierte sich für mich ein neues umfangreiches Betätigungsfeld für MitarbeiterInnen aus Kindertageseinrichtungen heraus. In den folgenden Jahren erweiterte sich mein berufliches Spektrum um das Angebot von Fortbildungskursen für pädagogische Fachkräfte aus diesem Arbeitsbereich.
Hier ergaben sich schwerpunktmäßig zunächst drei Themenbereiche:

  1. Video-Interaktionsbegleitung VIB
  2. Durchführung von Videoaufnahmen zu diagnostischen Zwecken und zur Dokumentation von Bildungsprozessen
  3. Nutzung von Videoaufnahmen in Elterngesprächen

Video-Interaktionsbegleitung VIB

Pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen nutzen die Video-Interaktionsbegleitung (VIB) als ressourcenorientiertes Kommunikationstraining zur Reflexion der eigenen Arbeit. VIB dient dem Erkennen, der Verstärkung und Erweiterung der eigenen kommunikativen Kompetenzen im Kontakt zu den Kindern, in Team- und Fallbesprechungen oder auch in Elterngesprächen. Aus der Praxis der Bearbeitung von Videoaufnahmen in Kindertageseinrichtungen haben sich entsprechend der verschiedenen Einsatzmöglichkeiten folgende Fragestellungen herauskristallisiert:

  • Wo liegen meine eigenen Stärken in der Kommunikation?
  • Woran möchte ich noch arbeiten, um mit den Kindern, KollegInnen, Eltern und anderen MitarbeiterInnen in einem möglichst guten Kontakt zu sein?
  • Wo sind wir als KollegInnen gut miteinander abgestimmt (in der Gruppe, im Teamgespräch)? Wie können wir uns in der Arbeit optimal unterstützen?
  • Wie kann ich meine Wahrnehmung in Bezug auf das Kind möglichst objektiv überprüfen, um auf Entwicklungs- und Fördermöglichkeiten optimal einzugehen?
  • Wie können wir Kontakte (auch zu verhaltensauffälligen) Kindern möglichst positiv gestalten?
  • Wie kann ich mich im Beratungsgespräch möglichst gut mit den Eltern abstimmen?
  • Welche Regeln und Rituale sowie Rahmenbedingungen sind förderlich in der Arbeit mit den Kindern?
  • Wie können Videoaufnahmen für die Anleitung von Praktikant/innen genutzt werden?
  • Wie kann ich als Führungskraft meine Leitungsqualitäten optimieren?

Im Zentrum der Analyse und Bearbeitung von Videoaufnahmen stehen die gelungenen Elemente der Kommunikation und Interaktion. Die primär ressourcenorientierte Bearbeitung der Bilder wirkt entspannend und motivierend. In der Folge wird ein Gewinn an Sicherheit und Gelassenheit auch in schwierigen Situationen erzielt, der letztendlich eine Effektivitätssteigerung im beruflichen Handeln bedeutet.
Durchführung von Videoaufnahmen zu diagnostischen Zwecken und zur Dokumentation von Bildungsprozessen

Von den pädagogische Fachkräften in Kindertageseinrichtungen wird in zunehmendem Maße erwartet, dass sie über einen umfassenden Kenntnisstand über die Situation, die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder verfügen. Ein umfangreicher Kenntnisstand über das gegenwärtige Entwicklungspotenzial des jeweiligen Kindes und ein damit einhergehendes individuelles Förderangebot ist nur durch eine regelmäßige zielgerichtete Beobachtung möglich. Hier kommt dem Einsatz der Videokamera eine gravierende Bedeutung zu. Mit Hilfe von Videoaufnahmen besteht die Möglichkeit, genau und ganzheitlich zu beobachten und gezielt wahrzunehmen. Dabei wird das Verständnis der Fachkräfte für das Verhalten und Erleben der Kinder erweitert. Die emotionale Distanz zur Situation ermöglicht ein konstruktives/objektives Erarbeiten des Entwicklungsstandes. Durch den Einsatz der Videoaufnahmen fällt die fachliche Reflexion im Team, in Fallbesprechungen und in der interdisziplinären Zusammenarbeit leichter. Die so gewonnenen Erkenntnisse bilden die Basis für den Förderplan des jeweiligen Kindes das weitere pädagogische Handeln.
Zu Beginn dieses Fortbildungskurses wird besprochen, welche Kriterien, noch vor dem Einsatz der Videokamera Berücksichtigung finden müssen.

  • Notwendige Informationen für die Eltern in Bezug auf geplante Videoaufnahmen
  • Sind Einverständniserklärungen vorhanden?
  • Zielorientierte Vorüberlegungen in Bezug auf das jeweilige Anliegen der päd. Fachkraft. Wozu, in welchem Rahmen und wann werden Videoaufnahmen erstellt?

Im weiteren Verlauf werden folgende Inhalte vermittelt:

  • Analyse der Videoaufnahmen zunächst bezogen auf die Stärken des Kindes. Im 2. Schritt werden eventuelle Auffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen herausgearbeitet.
  • Auswahl von Sequenzen und Nutzung des Videomaterials in der Zusammenarbeit mit KollegInnen, im Team, in der interdisziplinäre Zusammenarbeit, für Gespräche mit dem Kind.
  • Die Präsentation des Videomaterials in einer wertschätzenden, wohlwollenden und aktivierenden Art und Weise wird geübt.

Die regelmäßige Bearbeitung von eigenen Aufnahmen aus dem Arbeitsbereich der Teilnehmenden steht im Vordergrund. Vermittelte Inhalte werden im Arbeitsalltag erprobt und anhand von mitgebrachten Aufnahmen in der Supervision reflektiert. In Kleingruppen finden praktische Übungen und Rollenspiele statt zur Nutzung von Aufnahmen zu Präsentationszwecken, für Elterngespräche, zur Anwendung von Fragetechniken, u.s.w. Die Teilnehmenden erleben praxisnah die positive Wirkung und Effektivität ihres ziel- und lösungsorientierten Vorgehens. Der ressourcenorientierte Blick wird geschärft und ausgebaut. Das Ergebnis ist eine gezieltere Initiierung von Entwicklungsprozessen und eine bessere Bewältigung des pädagogischen Alltags durch vermehrte positive Kontakte.

Nutzung von Videoaufnahmen in Elterngesprächen

Der Elternarbeit kommt in Kindertageseinrichtungen eine besondere Bedeutung zu, da die Betreuung und Förderung der Kinder außerhalb der Familie nur im sozialen Kontext zu verstehen ist.
Wenn Erziehungs- und Bildungsprozesse optimal verlaufen sollen, ist eine partnerschaftliche, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern Voraussetzung. Hier erweist sich der Einsatz von Videoaufnahmen in Beratungsgesprächen als außerordentlich gewinnbringend. Die pädagogischen Fachkräfte gestalten den Dialog mit den Eltern und machen die Inhalte ihrer Arbeit mit Hilfe des Videomaterials transparent. Es findet eine gemeinsame Reflexion der Aufnahmen statt, damit das weitere Vorgehen miteinander besprochen werden kann.
In diesem Fortbildungskurs werden schwerpunktmäßig folgende Inhalte vermittelt:

  • Auswahl der Sequenzen und Auswertung des Materials für das Elterngespräch
  • Basiskommunikationsprinzipien, d.h. welche Grundregeln für einen guten Kontakt sind wichtig?
  • Schaffung einer vertrauensvollen Atmosphäre im Elterngespräch
  • Fragetechniken (zirkuläres Fragen), die der pädagogischen Fachkraft eine hilfreiche Distanz und Neutralität ermöglichen
  • Präsentation des Materials und Bearbeitung der Aufnahmen mit den Erziehungsberechtigten in einer wertschätzenden und aktivierenden Art und Weise
  • Ziel- und lösungsorientiertes Vorgehen.
  • Handlungsstrategien für die pädagogischen MitarbeiterInnen in besonderen Konfliktsituationen.
  • Beachtung von wichtigen Aspekten für die Beendigung des Gespräches auch im Hinblick auf weitere Zielformulierungen.

Die Vermittlung der Inhalte erfolgt zunächst anhand von Video-Anschauungsmaterial, einfachen praktischen Übungen und in Rollenspielen. Im Abstand von 3-4 Wochen haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, eigene Videoaufnahmen von durchgeführten Elterngesprächen mitzubringen.
In den Supervisionen werden die Aufnahmen primär an den Stärken der pädagogischen Fachkraft orientiert ausgewertet. Der ressourcenorientierte Blick wird geschärft und ausgebaut. Kommunikative Kompetenzen werden herausgearbeitet und intensiviert. Die positive Verstärkung durch die Bilder fördert den eigenen Entwicklungsprozess der Beteiligten.

Fazit der pädagogischen Fachkräfte aus den oben genannten Fortbildungskursen

An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Überblick darüber geben, welche Erfahrungen die TeilnehmerInnen durch den Einsatz von Videoaufnahmen in ihrem Arbeitsalltag gemacht haben. Grundlage der nachfolgenden Aussagen sind die am Ende der Kurse ausgefüllten Bewertungsbögen. Ich beziehe mich dabei auf die Frage, ob die TeilnehmerInnen des Kurses von dieser Methode profitieren können:

  • „Meine anfänglichen Hemmungen in Bezug auf die Handhabung der Videokamera und der anderen technischen Geräte sind schnell verflogen.“
  • „Die Kinder haben sich schneller als erwartet an den Einsatz der Kamera gewöhnt.“
  • „Mein Blick im Arbeitsalltag hat sich verändert. Ich schaue mehr auf die Stärken, nicht nur bei den Kindern, sondern auch in Bezug auf meine KollegInnen oder auch im privaten Bereich.“
  • Durch den Einsatz der Videoaufnahmen haben wir als KollegInnen das zielgerichtete, schrittweise Vorgehen in der täglichen Arbeit mit den Kindern noch besser im Blick“
  • „Videosequenzen sind eine wichtige Ergänzung zur schriftlichen Dokumentation von Entwicklungs- und Bildungsprozessen.“
  • „Beobachtungen ohne Videoaufnahmen sind weniger objektiv.“
  • „Meine eigene Wahrnehmung in Bezug auf die Kinder kann ich mit Hilfe von Videoaufnahmen sehr gut überprüfen“
  • „Wir nutzen Videoaufnahmen jetzt viel häufiger für Fallbesprechungen/Teambesprechungen und entwickeln schneller Ideen für das weitere päd. Vorgehen.“
  • „Elterngespräche gestalten sich einfacher. Eltern sehen ebenfalls die vielen Stärken ihrer Kinder. Über das vorhandene Bild sind auch schwierige Situationen ihrer Kinder besser besprechbar.“
  • „Der Einsatz von Videoaufnahmen bedeutet eine Zeitersparnis, denn über das Bildmaterial können Ergebnisse schnell erfasst werden.“
  • „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit gestaltet sich viel einfacher, zeitaufwendige Hospitationen lassen sich über die Nutzung der Videoaufnahmen oftmals vermeiden“.

Dies soll als Auszug der positiven Rückmeldungen genügen.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Tatsache, dass viele TeilnehmerInnen am Ende der Kurse ihre anfänglich vorhandenen Ängste in Bezug auf die Durchführung von eigenen Videoaufnahmen im Kontakt zu den Kindern/KollegInnen offen legten. Sie äußerten sich sehr positiv über die stattgefundene definitiv primär an den Ressourcen orientierte Bearbeitung der Aufnahmen. Dies hatte zur Folge, dass die KursteilnehmerInnen immer mehr Mut entwickelten sich selbst im Gruppengeschehen oder in Gesprächen mit den Kindern, KollegInnen und Eltern aufzunehmen. Die eigenen fachlichen Kompetenzen gelangten mehr in ihr Bewusstsein, professionelle Fähigkeiten haben sich gefestigt und erweitert. Eventuelle alternative Handlungsstrategien waren somit leichter zu erarbeiten.

Auswirkungen von politischen Entscheidungen auf die MitarbeiterInnen der Kindertageseinrichtungen

Seit der öffentlichen Diskussion über die Ergebnisse der Pisa-Studie haben Entwicklungs- und Bildungsprozesse im Elementarbereich einen besonderen Stellenwert erhalten. Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen begleiten Kinder in einem Lebensabschnitt, in dem sie über ein großes qualitatives und quantitatives Lernpotential verfügen. Bildung und Erziehung müssen im Kindergarten in hohem Maße auf die individuellen Bedingungen der Kinder abgestimmt sein. Kinder machen in den Bereichen Entwicklungsfortschritte in denen ihre Bedürfnisse Interessen und Fragen liegen. Die erhöhten Anforderungen setzen bei den MitarbeiterInnen vielfältige persönliche und fachliche Kompetenzen voraus.
Die Kindertageseinrichtungen stellen sich den veränderten Bedingungen. Leitungskräfte und MitarbeiterInnen arbeiten hochmotiviert und intensiv daran, wie sie ihre fachlichen Qualitäten noch weiter ausbauen können.
Wie aber sollten bei so extremen unterschiedlichen Voraussetzungen im Kindergarten diese Leistungen erbracht werden? Einigkeit bestand darin, dass hierfür eine ganzheitliche, regelmäßige und zielgerichtete Beobachtung unumgänglich ist. Alle Beteiligten befassten sich mit folgenden Fragen:

  • Wie können wir bei spürbar gestiegenen Anforderungen und immer deutlicher werdenden Belastungen dem politischen Auftrag gerecht werden, auch wenn die finanziellen Mittel immer knapper werden.
  • Wie viel neues Fachwissen ist überhaupt erforderlich und welche Kompetenzen sind schon vorhanden?
  • Welches geeignete professionelle „Werkzeug“ können wir im Arbeitsalltag zur Beobachtung der Kinder sinnvoll einsetzten?
  • Wie können Beobachtungsfallen vermieden werden?
  • Wie setzen wir Beobachtungen als Planungshilfe für den Alltag ein?
  • Wie werden Beobachtungen dokumentiert und wie gestaltet sich das daraus resultierende pädagogische Handeln?
  • Welche Beobachtungsverfahren gibt es überhaupt? .Welche Vor- und Nachteile sind bekannt?
  • Wie können Beobachtungsmethoden vor dem Hintergrund sehr begrenzter zeitlicher Ressourcen gewinnbringend eingesetzt werden?
  • Wie sehen wir unsere eigene berufliche/professionelle Rolle im Entwicklungs- und Bildungsprozess der Kinder?
  • Wie können wir ein möglichst einheitliches Konzept entwickeln?

Das methodische Vorgehen zur Dokumentation ist sehr unterschiedlich. Hier seien Beobachtungsbögen, Bildungsbücher, Portfolios, Sammlungen von Aufzeichnungen von freien oder strukturiert durchgeführten Beobachtungen, standardisierte Beobachtungsverfahren, Fotos und nicht zuletzt Videoaufnahmen genannt.
In meinen angebotenen Kursen wiesen die TeilnehmerInnen immer wieder darauf hin, wie effektiv und damit wichtig sie den Einsatz von Videoaufnahmen in ihrem Arbeitsalltag erleben und möglichst nicht mehr darauf verzichten wollen. Der Wunsch nach einer umfangreichen qualitativen Weiterbildung mit Abschluss eines Zertifikates wurde immer deutlicher.

Weiterbildung in der Video-Interaktions-Diagnostik (VID)

Seit Mitte des letzten Jahres haben wir Ausbilderinnen des Landesverbandes SPIN Niedersachsen uns in einer AG zum Thema „Veränderung von Ausbildungsrichtlinien“ mit diesem Anliegen befasst. Auch aus den stationären und teilstationären Arbeitsbereichen in Jugendhilfeeinrichtungen wurde der Ruf nach einer Weiterbildung im diagnostischen Bereich immer lauter.
Seit März diesen Jahres sind wir in der Lage ein entsprechendes Ausbildungsmodul mit folgenden Zielen und Inhalten anzubieten:
Im Zentrum der Nutzung von Videoaufnahmen steht das Kind mit seinem Entwicklungsstand und seinem Entwicklungsbedarf. Die zentrale Frage bei der Analyse der Videoaufnahmen und ihrer Präsentation lautet: "Was braucht das Kind?".

Im Folgenden stelle ich die vielfältigen Möglichkeiten der Nutzung von Videoaufnahmen innerhalb eines VID-Prozesses dar.

Diagnostik

Die TeilnehmerInnen nutzen Videoaufnahmen, um den Entwicklungsprozess des Kindes/der Kinder optimal zu unterstützen. Dies bedeutet, dass von dem jeweiligen Kind in unterschiedlichen Situationen Videoaufnahmen durchgeführt werden, um zunächst den aktuellen Entwicklungsstand mit den Stärken des Kindes, aber auch im zweiten Schritt den eventuellen Entwicklungsrückständen oder Auffälligkeiten zu ermitteln.

Bearbeitung mit KollegInnen

Damit das Kind ganzheitlich gefördert werden kann, erfolgt nach erster „Bestandsaufnahme“ zum Beispiel die Bearbeitung von ausgewählten Sequenzen mit der direkten Kollegin in der Gruppe, im Team (dies ist besonders wichtig in offenen Kindertageseinrichtungen) oder in Fallbesprechungen.
Bei der Analyse der Aufnahmen werden auch hier zunächst schwerpunktmäßig die Ressourcen des Kindes herausgearbeitet. Wahrnehmungen in Bezug auf Auffälligkeiten werden gemeinsam überprüft. Die Beteiligten erarbeiten, was das Kind in Bezug auf seine bestmögliche Entwicklung braucht und richten ihr pädagogisches Handeln in ihrem Arbeitsalltag darauf aus.
In regelmäßigen Abständen (hier können die Zeiträume für die einzelnen Kinder ganz unterschiedlich sein) werden neue Aufnahmen durchgeführt, damit erfolgte Interventionen und die Auswirkungen auf das Kind überprüft werden können.

Elternarbeit

Für eine bestmögliche Förderung des Kindes ist eine möglichst vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern unumgänglich. Auch hierfür bietet sich an, vorhandene Videoaufnahmen zu nutzen. Die pädagogische Arbeit wird für die Eltern somit sehr transparent und nachvollziehbar. Eltern werden als Experten für ihre Kinder angesprochen. Das weitere Vorgehen wird gemeinsam erarbeitet. Die Aufnahmen werden den Eltern in einer aktivierenden Form präsentiert. Dies bedeutet, dass sie über entsprechend formulierte Fragestellungen die Stärken ihres Kindes entdecken, aber auch eventuelle Entwicklungsrückstände erkennen.

Über Fragetechniken, wie zum Beispiel das „zirkuläre Fragen“ hat die pädagogische Fachkraft die Möglichkeit, eine neutrale Position zu wahren.

Die Erziehungsberechtigten erhalten aber auch erforderliche Informationen zu bestimmten Krankheitsbildern, Auffälligkeiten, Entwicklungsrückständen, usw. ihres Kindes. Hier bietet sich wiederum an, die Videoaufnahmen zu nutzen, weil „Sachverhalte“ für die Eltern besser nachvollziehbar sind. Gemeinsam mit den Eltern wird am Ende des Gespräches das weitere Vorgehen geplant und entschieden. Nächste Schritte zur Förderung des Kindes im Kindergarten, im Elternhaus und/oder in der Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen werden festgehalten.

Kooperation mit weiteren Fachdisziplinen

Neben der oben beschriebenen Zusammenarbeit mit KollegInnen und Eltern werden Videoaufnahmen auch in der Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen eingesetzt. Dies setzt das Einverständnis der Eltern natürlich voraus. Die Bearbeitung der Aufnahmen erfolgt in gleicher Weise wie im Elterngespräch. Durch die Nutzung der Videoaufnahmen können zeitaufwändige Hospitationen oder umfangreiche diagnostische Tests unter Umständen vermieden werden. Spezielle Förderungen des Kindes (Logopädie, Motopädie, Ergotherapie, Frühförderung u.s.w.) können schneller erfolgen.

Besprechung der Videoaufnahme mit dem Kind/den Kindern

Als sehr hilfreich hat sich die Bearbeitung der Videoaufnahmen mit dem Kind/Kindern herausgestellt. Im Vordergrund stehen auch hier die Stärken des Kindes/der Kinder. Anhand der positiven Bilder werden dem Kind eigene Fähigkeiten und Auswirkungen des eigenen Handelns bewusst. Das Selbstwertgefühl wird gestärkt. Die Bearbeitung der Aufnahmen findet auch hier in einer wertschätzenden und wohlwollenden Art und Weise statt.

Personalentwicklung

Pädagogischen Fachkräften wird über die Nutzung von Aufnahmen ihr eigenes Handeln deutlich. Sie haben die Chance zu überprüfen, worauf das Kind gut reagiert und an welcher Stelle eventuelle Änderungen der Interaktion oder Kommunikation notwendig sind. Die Ergebnisse der eigenen Analyse sollte dann wieder den Betreuungspersonen des Kindes zugänglich gemacht werden.
Der Umfang an durchgeführten Videoaufnahmen und die Länge eines VID-Prozesses können je nach Situation ganz unterschiedlich sein.

Die Teilnehmer/innen werden darin geschult:

  • zielorientiert Videoaufnahmen zu erstellen,
  • eine zunächst an den Stärken des Kindes orientierte Auswertung der Videoaufnahmen durchzuführen. Sie nutzen dabei die Metaperspektive, um Kommunikations- und Interaktionsmuster des Kindes zu erkennen,
  • den Entwicklungsstand, Entwicklungsverzögerungen und seinen Förderbedarf zu definieren, bzw. bildlich darzustellen,
  • entwicklungsrelevante Bilder aus den Videoaufnahmen herauszufiltern und diese in einem kurzen Zusammenschnitt in Fall- und Teamgesprächen, in der Elternarbeit und/ oder anderen Fachkräften entwicklungsorientiert zu präsentieren,
  • eine ressourcenorientierte und wertschätzende Haltung zu entwickeln

Bestandteile der Weiterbildung:

  • 1 Basisseminar (Einführungskurs von 2 Tagen)
  • 15 Weiterbildungssupervisionen (1 x monatlich, regional in einer Kleingruppe)
  • 4 ganztägige Theorie-Praxis-Seminare (Schulung des ressourcenorientierten Blickes, Systemtheoretischer Ansatz, Entwicklungspsychologie, Bindungstheorie, Kommunikationstheorien, Video-Schnitttechnik,), in der Gesamtgruppe
  • die Durchführung von 4 VID-Prozessen
  • eine Eigen-VIB der Präsentationsarbeit
  • 3 Präsentationen in Hilfeplangesprächen/Teamgesprächen
  • eine 10-seitige Abschlussarbeit/Falldokumentation
  • eine einstündige Zertifizierung durch den SPIN-Landesverband

Nach der Zertifizierung kann der/die Video-Interaktions-DiagnostikerIn selbstständig VID in Kindertageseinrichtungen durchführen.

Abschließende Betrachtung und Zukunftsperspektive

Zurückblickend auf meine langjährige Tätigkeit als Ausbilderin Supervisorin SPIN und als Referentin für pädagogische Fachkräfte aus Kindertageseinrichtungen stelle ich fest, dass der ressourcenorientierte Einsatz von Videoaufnahmen in diesem Arbeitsfeld immer mehr Einzug findet.
Im Laufe dieser Zeit habe ich sehr intensiv beobachtet wie sich getroffene politische Entscheidungen auswirkten und sich die Anforderungen an die MitarbeiterInnen aus diesem Bereich fortwährend erhöhten. Neben der Dokumentation von Entwicklungs- und Bildungsprozessen, kommt der Betreuung der unter dreijährigen Kinderein hoher Stellenwert zu. In meiner Position war es mir möglich, neben den anfangs angebotenen Kursen diesen Weg mit ihnen zu gehen und dementsprechend meine Fortbildungsangebote auf ihren Bedarf zuzuschneiden. Aufgrund einer regelmäßigen Auswertung der Kurse, verbunden mit dem von den Fachkräften erlebten Nutzen in ihrem Alltag, konnte eine hohe Effektivität des Einsatzes von Videoaufnahmen erreicht werden.
Das Spektrum der Durchführung von Videoaufnahmen hat sich verändert und erweitert. Die KursteilnehmerInnen haben ein neues Handwerkszeug für eine an Bedeutung zunehmende Qualitätssicherung entdeckt.
Die Weiterbildung in der Video-Interaktions-Diagnostik ermöglicht eine weitere Qualifizierung in der pädagogischen Arbeit. Der ressourcenorientierte Blick wird geschärft und eine wertschätzende und wohlwollender Grundhaltung eingenommen. Zeitliche Ressourcen sind besser nutzbar, da mit Hilfe der Videoaufnahmen Ergebnisse schneller erzielt und Entscheidungen getroffen werden können. Die Zusammenarbeit mit KollegInnen und anderen Fachdisziplinen wird erleichtert.
Ich selbst freue mich auf die ersten Weiterbildungsprojekte VID für pädagogische Fachkräfte aus Kindertageseinrichtungen die ab Herbst diesen Jahres geplant sind.

Mit einem Zitat von Virginia Satir möchte ich meinen Beitrag zur Qualitätssicherung in Kindertageseinrichtungen schließen.

Bewegung

Wende dich an die Stärken des Menschen,

und vergib seine Schwächen,

schau anders, als du bisher gewohnt warst zu sehen.

Schau auf die Dinge die möglich sind

und halte dich nicht mit dem Unmöglichen auf.

(Virginia Satir)

Helga Reekers
Diplom-Sozialpädagogin
Ausbilderin/Supervisorin SPIN
Institutionsberaterin und systemische Supervisorin

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